Korruptionsverdacht in Thüringen: Reformbedarf bei Lernmittelfinanzierung
Die jüngst vom MDR berichteten Korruptionsermittlungen rund um den Verkauf von Schulbüchern in Thüringen belegen, dass das bestehende System der Lernmittelbeschaffung keineswegs reibungslos klappt. So heißt es in dem MDR-Bericht:
In Hunderten Schulen in Thüringen ist es seit Jahren gängige Praxis, dass Schulen oder Fördervereine Bestellzettel für Schulbücher ausgeben. Auf diesen Vorlagen ist vermerkt, dass die Eltern die Bücher entweder selber besorgen können oder über einen Versandhändler. Zu lesen ist da auch, dass dieser Händler Hand in Hand mit dem Förderverein der jeweiligen Schule zusammenarbeitet. Die Eltern kreuzen in der Regel schnell alles an und sind die Sorge um den Kauf der Schulbücher los. Die örtlichen Buchhändler gehen leer aus.
Zwei Südthüringer Online-Händler sollen an der Spitze des Geschäfts mit den Vereinen und den Schulen stehen. Damit auch die Vereine und Schulen profitieren, überweisen die beiden Händler nach dem Stand der Ermittlungen Spenden an die Fördervereine, die ihnen die Buchbestellungen der Eltern verschafft haben. Die Ermittler haben dabei entdeckt, dass sich die Spenden an den Umsätzen der bestellten Bücher orientieren. Das sei Korruption, so die Staatsanwaltschaft Erfurt.
Abgesehen von den mutmaßlich illegalen Vorgängen stellt sich angesichts der in Thüringen üblichen Beschaffungsroutinen die viel grundlegendere Frage, ob die bestehende Erwerbungspraxis überhaupt geeignet ist, Wettbewerb sicherzustellen und auch neuen digitalen Lehr- und Lernmitteln den Weg in den Schulalltag zu ebenen.
Die Vorgänge in Thüringen sind nur ein weiterer Grund eine Reform der Lernmittelfinanzierung in Angriff zu nehmen, sodass Gelder der öffentlichen Hand sowie der Eltern auch für die Erstellung offener Lehr- und Lernmittel herangezogen werden können. Wie das prinzipiell gehen könnte, hat White-Paper-Autor Leonhard Dobusch für den Fall Berlin kürzlich in einer Studie im Auftrag der dortigen Technologiestiftung erarbeitet. Das Ergebnis ist als PDF-Download online verfübar.